Nach 25:54:49 Stunden ist unser Ultraläufer Stefan Stu Thoms in Sparta bei der sagenumwobenen Statue von König Leonidas angekommen. Gemeinsam mit seinem italienischen Lauffreund Ivan Cudin passierte er die Ziellinie hinter dem Sieger aus Portugal, Joao Oliviera (23:28:08 h), und seinem deutschen Nationalmannschaftskollegen Florian Reus (25:29:54 h).
Mit dieser tollen Platzierung beim weltweit härtesten Ultrarennen nonstop von Athen nach Sparta bestätigte Stu nach dem Überraschungssieg 2012 seine Leistungsstärke und kann stolz sein, diese Strapazen gemeistert zu haben.
Lieber Stu, herzliche Grüße aus der Heimat. Wir gratulieren sehr herzlich und freuen uns mit Dir.
…und hier Stus Abschlussbericht:
Dreizehnter Tag, 1. Oktober 2013
Nun sitze ich im Flugzeug mit deutschen und polnischen Spartathleten. Nach einer langen Feier bis weit in die Nacht bin ich nun endlich wach. Doch der Reihe nach!
Am Freitag war der Start zum 31. Spartathlon. Bei meiner dritten Teilnahme wurde ich von Sanna und Mama Geli unterstützt. Zusammen mit Tobi und den Pfeiffers verbrachten sie den ersten Tag des Spartathlon gemeinsam. Nach dem Foto mit dem deutschen Startern war es soweit. Pünktlich um 7 Uhr Athener Ortszeit erfolgte der Startschuss. 332 Läufer, darunter 39 Frauen machten sich auf, um den König Leonidas im 246km entfernten Sparta einen Besuch abzustatten.
Die Sonne blinzelte schon leicht hinter den Bergen und ein erster leichter Wind zeigte, welche zusätzlichen Herausforderungen auf uns zukamen. Vorn im Feld machten sich die Topfavoriten Lantink, Morton und Cudin schon einmal bekannt. Doch während Ivan einen kontrollierten Lauf mit einer Endzeit um die 23 Stunden anlief, ging die Spitze mit einem Tempo von 4:30min/km ein Höllentempo. Mit dazu zählte der Portugiese Joao Oliviera, der mir bei der Startliste durchrutschte, weil Vor- und Nachname vertauscht waren. Da findet auch die beste Datenbank der Welt für Ultralauf auf der DUV Seite keine Treffer.
Auf dem Weg nach Korinth zu Checkpoint (CP) 22 bei km 80 wollte ich ca. 14:30 Uhr sein, nach 7,5h Rennzeit. Der deutlich spürbare Gegenwind veranlasste mich zu einer Korrektur. Am Vorabend hatte Ivan noch über die Dreiteilung gesprochen. Den Ersten mit dem Kopf, den Zweiten mit der Physis und den Dritten mit dem Herzen! So lief ich oft ein langsameres Tempo, wenn der Wind erheblich ins Gesicht blies. Zwischendurch fühlte ich mich schon sehr müde. Die Wärme und der empfindliche Wind waren für mich sehr unangenehm. Die Kühlung durch die feuchtgehaltenen Stümpfe war nur kurzzeitig. Wind und Sonne trockneten sie schon nach einem Kilometer. Mit der Ankunft um 14:37Uhr war ich jedoch gut in der Zeit und ein perfekter Boxenstopp von unter 2 Minuten durch das Team war überragend. Die Beine wurden von Mama Geli stark befeuchtet und oben reichte Sanna Getränke und füllte meine Wasserflasche auf. Perfekt! Ein TV Team hat wohl mit mehr Zeit gerechnet, doch dieses Interview wollte ich dann doch nicht. Und schon war ich wieder auf der Strecke.
Auf dem Weg nach Korinth waren die drei Deutschen Nationalmannschaftsläufer Hösl, Leu und Vanicek schon an mir vorbeigezogen. Da sie merklich wegzogen, hatte ich keine Sekunde verschwendet, mit ihnen mitzugehen. Schon in den Top 10 lief natürlich Florian Reus. Sein Plan war die deutsche Bestmarke von 24:20 zu verbessern.
Ab Korinth ging es mir dann von CP zu CP immer besser. Die Füße nahmen das Tempo an. Ich war im Rennmodus angekommen. Das Team machte sehr gute Arbeit, auch weil mein Appetit auf Maltogetränke sich in Grenzen hielt. Zusätzlich gab es Unterhaltung von Tobi (verbal) und den Mädels (nonverbal) durch große Augen und offene Münder. Mindestens bis zur Hälfte in Antik Nemea wollten sie bleiben.
So lief es und eine kurze deutsche Fahrradbegleitung sorgte zusätzlich für Abwechslung. Der steile Anstieg zu CP bei km 112 lief rund. Hier sah ich vor zwei Jahren mal etwas mitgenommen aus. Heute fühlte ich mich gut. Das Team verabschiedete sich nach Nemea, wo es die Halbzeitshow vorbereitete.
An einem CP dorthin traf ich Britton (GB). Er sah mich und sprang vom Stuhl auf, um die Strecke nach Nemea gemeinsam zu bewältigen. Durch ihn wurde ich dann über die aktuelle Position erstmals in Kenntnis gesetzt. Vom Team wollte ich es frühestens nach 200 km wissen. Nun liefen wir gegen kurz nach 19 Uhr bei CP 35 ein. Position 9 und 10, 123 km in 12h mit schon dann sehr ordentlichen Höhenmetern, spürbarer Gegenwind und mindestens 30°C. Das Antike Nemea empfing alle Läufer, wie überall sehr herzlich mit großem Applaus. Bitte Platz nehmen. Ein Becher warmer Brühe – zack weg! Das Trikot wechseln von Singlet auf T-Shirt, zweiter Becher Brühe – zack weg, ein Schluck Malto. In diesen 2-3 Minuten noch kurz ein Lächeln nach links und rechts, die Beinmuskeln immer leicht gelockert, Kappe mit der Lampe greifen und dann ging es auf zu meiner deutschen Hochburg auf der Strecke in Malandreni CP 40 mit Willi aus Erkner.
Auf diesem Abschnitt traf ich auf die Nacht. Der Mond fehlte noch, doch die Sterne waren schon hell am Himmel. Der Weg führte nur leicht wellig durch das Land. Beim vorletzten CP vor Malandreni lief ich auf den Slovenen Loidje auf und ging den abfallenden Abschnitt in den Ort hinein ein gutes Tempo um aus der Sicht zu laufen. So blieb es beim Treffen in Malandreni nur beim kurzen „Hallo“, sorry Willi, und weiter ging es hinein in das Tal, um sich dem Sangas Pass zu nähern.
Auf diesem flachen Abschnitt konnte ich gut mein Tempo von unter 6 Minuten pro Kilometer aufnehmen. Meine Kopflampe lies ich meist aus. So konnte ich schon von Weitem das Licht eines weiteren Läufers erspähen. Nur eine Winzigkeit von 15 Minuten danach war Oliver Leu vor mir. Er war der Letzte vom deutschen Express der an mir vor Korinth vorbeizog. Mit Oliver ging es ein paar Meter gemeinsam. Ein kurzes Hallo zum Team beim letztem CP vor Mountain Base. Nach Stipvisite in einem malerischen Dorf am Fuße des Sangas begann der erste Teil des Aufstieges. Dieser ca. 5 km lange Anstieg mit 200 Höhenmetern war noch rennbar. Gleich am Ortsausgang traf ich auf die spätere Siegerin bei den Damen Sylvia Lubicz. Oben am Berg war die Lampe eines weiteren Läufers zu sehen. Die Serpentinen schlängelten sich am Berg entlang und eine Ankunft vor Mitternacht auf dem Gipfel des Parthenio war erreichbar. Am CP 47 Mountain Base gab es wieder Brühe und Malto, eine Weste und für den Notfall ein langes Shirt. 23:15 Uhr begann mein Aufstieg zum höchsten Punkt des Spartathlon. Die superleichten Rennschuhe waren suboptimal bei dieser Aufgabe und das sie mit 700km schon gut eingelaufen waren, machte es nicht besser. Sehr aufmerksam begutachtete ich jeden Schritt und kam doch gut voran. 200m vor dem Gipfel schlich der beste Grieche sehr bedächtig voran. So war es schon Platz 5 vor dem Gipfel. Nach langsamem Abstieg und viel Angst erreichte ich den CP 50. Mit einer Stunde auf 3 und 4, zwei Stunden auf 1 un2 war die Situation sehr entspannt. Tempo aufnehmen auf diesem flachen Abschnitt und an der eigenen Rennidee aufrichten. Es galt mich mit einer neuen persönlichen Laufzeit zu belohnen. Die ersten vier sind ausnahmslos Läufer mit außergewöhnlichem Leistungsvermögen.
Das Pech meines Freundes Ivan, der zum Erbrechen führende Magenschmerzen bekam bevor ihn eine Unaufmerksamkeit am Berg zu Fall brachte, erfuhr ich nur wenig später. Er musste sein Tempo sehr stark drosseln und zwischenzeitlich sein Schürfwunde versorgen lassen. In Nestani CP52 hatte er noch eine Stunde Vorsprung, CP 60 waren wir gleichauf. Es lief immer noch nicht bei Ivan und er schickte mich gleich weiter. Auf den nächsten CP verlor er weitere 8 Minuten, Ivan kämpfte!
Der Abstand zu Platz 3, dem besten deutschen 24 Stundenläufer betrug 70 Minuten. Doch um meinem Kopf nun völlig den Verstand zu rauben, gesellte sich ein Auto der Rennleitung nehmen mich und informierte mich: „You are running on position 3, Lantink is out!“ Was für ein Rennen!!!
Der Abstand zu Flo Reus schmolz zwar noch auf 45 Minuten, doch Ivan war immer noch mehr als 20 hinter mir. Unsere Frauen hatten Kontakt. Ich hoffte, das Ivan eine zweite Luft bekommt und vielleicht ein geteilter 3. Platz möglich ist.
Und er kam auf! Zwischen CP 68 und 69 verbummelte ich zu stark. Bei CP 70 war er schon auf 4 Minuten heran. Es ging jetzt nur noch bergab. Ich lief 5min/km und dachte recht zügig, doch Ivan flog mit einem 4er Schnitt heran.
Der Sieger Joao Oliviera war inzwischen im Ziel in 23:30 Stunden. Florian Reus folgte in 25:30 h.
Gute 10 km vor dem Ziel waren wir zusammen. Ivan gab die Pace vor und testete mich hart. Ich folgte seinen vierer Tempo, während wir an unseren Frauen mit schon stark feuchten Augen nahezu vorbeiflogen. Besser gesagt sie heulten schon Rotz und Wasser!
Ich wusste in diesem Moment nicht, wie lange ich diesem Speed folgen kann. Ivan fragte nach der Uhrzeit. Ein bisschen schien es so, dass eine Endzeit unter 26 Stunden für ihn inakzeptabel ist. Der nächste CP kam heran, ich konnte nicht erkennen, wie weit es noch war. Irgendwas um die 5 km vielleicht!
Etwa eineinhalb Kilometer vor dem König nahm Ivan das Tempo heraus. Ich hatte meine Prüfung bestanden! Wir zogen unsere Handschuhe aus und hielten unsere Hände.
Nun hatten wir Zeit noch unsere Vereins-Leibchen überzustreifen. Es ging an der Feuerwehr vorbei. Vor uns das Fahrzeug eines Renndirektors, Panagiotis hat diesen Tempolauf ein wenig auf Video mitgeschnitten. Die letzte Ecke folgte und Sparta und Gäste erlebten mit sicher den emotionalsten Einlauf auf dem Treppchen in deren Geschichte. Alle meine Worte reichen nicht aus um dies zu beschreiben.
Nach 25:55 Stunden hatten wir unsere Audienz beim König Leonidas!
Vielen Dank fürs Mitfiebern, Grüßen, Beglückwünschen…. Ich werde alles noch lesen, Stu.